- Käfer: Von Hitlers »KdF«-Wagen zur Konjunkturlokomotive der 50er-Jahre
- Käfer: Von Hitlers »KdF«-Wagen zur Konjunkturlokomotive der 50er-JahreAls Ferdinand Porsche, der »Vater des Volkswagens«, im Jahr 1931 erste Skizzen für ein solches Auto machte, war nicht abzusehen, welch wechselhafte Geschichte und welch phänomenalen Erfolg diese Idee eines Autos, das sich jeder sollte leisten können, haben würde. Mit dem Volkswagen-»Käfer« (»Beetle«, wie er bereits in den 30er-Jahren von englischsprachigen Zeitungen benannt wurde) verbinden sich Gedanken an die Planungen der Nationalsozialisten für ein KdF-Auto in den Vorkriegsjahren, dann aber vor allem die Erinnerungen an das Wirtschaftswunder im Nachkriegsdeutschland ab den 50er-Jahren, für das der »Käfer« zu einem Symbol geworden ist.Die 30er- und 40er-Jahre: Werksgründung und Neuanfang1931 wurde von Ferdinand Porsche zum ersten Mal ein Volkswagen skizziert. Ferdinand Porsche (1875—1951) war hauptsächlich Konstrukteur von Automobilen und KfZ-Teilen und besaß insgesamt 1230 Patente, davon 260 in Deutschland. Von 1923 bis 1929 war Porsche bei der Daimler-Motoren-AG in Untertürkheim beschäftigt, 1929/30 bei den Steyr-Werken AG in Österreich. Von der Firma Zündapp wurden bis Ende 1932 drei Prototypen hergestellt, welche schon sehr dem Käfer glichen. 1933 kam eine geplante Kooperation zwischen Porsche und NSU nicht zustande, allerdings traf Porsche im selben Jahr Adolf Hitler, der sich einen Wagen zur Motorisierung des deutschen Volkes wünschte. 1934 begann Porsche mit dem schwierigen Unterfangen, einen »Volkswagen« für 1 000 Reichsmark zu erstellen. 1935 gelangten dann die Pläne für einen Volkswagen auch an die Öffentlichkeit. Ende 1936 hatten drei Prototypen des Volkswagens bereits eine Strecke von jeweils 50 000 km zurückgelegt. Im selben Jahr hatte Porsche die USA besucht, um sich über die dortige Automobilproduktion zu informieren. Am 28. Mai 1937 wurde die »Gesellschaft zur Vorbereitung des deutschen Volkswagens mbH« (»Gezuvor«) gegründet. Im selben Jahr bekam der Volkswagen seine endgültige äußere Form. Am 26. Mai 1938 erfolgte die Grundsteinlegung für das Volkswagenwerk nahe dem niedersächsischen Fallersleben. Am 01. Juli 1938 wurde durch Zusammenlegung mehrerer Gemeinden die »Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben« gegründet. Am 01. August desselben Jahres gab die DAF (Deutsche Arbeitsfront) die Einrichtung des Volkswagen-Sparsystems bekannt. Im September 1938 kam der Gesellschaftervertrag der Volkswagen GmbH zum Abschluss, im Oktober wurde die »Gevozur« in »Volkswagen GmbH« umbenannt. Im Frühjahr 1939 feierte das Volkswagenwerk Richtfest. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde auch das Volkswagenwerk zunehmend für Rüstungsproduktion in Anspruch genommen. So erfolgte ab April 1940 hier die Montage von Kübelwagen Typ 82. Es folgten weitere Bereiche der Rüstungsproduktion. Insgesamt wurden bis zum Ende des Krieges ca. 70 000 Schwimm- und Kübelwagen im Volkswagenwerk produziert. Ab 1942 war die Mehrzahl der im Volkswagenwerk Beschäftigten Zwangsarbeiter aus den unterschiedlichsten Ländern. Luftangriffe der Alliierten zerstörten im Jahr 1944 etwa zwei Drittel des Werkes. Am 10. April 1945 marschierten die Amerikaner in die Stadt ein, in der zu dieser Zeit 17 100 Menschen lebten, von denen ca. 9 000 im Volkswagenwerk beschäftigt waren. Bei der »Bank der Deutschen Arbeit« wurde ein Sonderkonto errichtet, denn insgesamt hatten 336 000 Sparer eine Summe von 267 Millionen Reichsmark für einen Volkswagen angespart. Im Mai 1945 wurde die Stadt des Volkswagenwerks nach einem Wasserschloss in »Wolfsburg« umbenannt. Das Volkswagen-Firmenvermögen beschlagnahmten die Alliierten, das Werk erhielt einen neuen Namen: »Wolfsburg Motoren-Werke« (»Wolfsburg Motor Works«). Die Produktion ging provisorisch weiter, da die Pressen und Werkzeuge für die KdF-Wagen noch vorhanden waren. Langsam lief die Produktion wieder an: Im Oktober 1946 wurde bereits der 10 000. Volkswagen produziert. 1947 wurden die ersten Volkswagen an deutsche Autohändler geliefert. Bis dahin war die Produktion hauptsächlich für die britischen Besatzungstruppen erfolgt. 1948 verkaufte man insgesamt 1 500 Käfer an Privatpersonen. 1949 verließ der 50 000. Käfer das Werk in Wolfsburg. Zu dieser Zeit hatte es gegenüber dem ersten Modell schon verschiedene Änderungen und Weiterentwicklungen gegeben. Zudem wurde ein Modell de Luxe vorgestellt. Es hatte verchromte Stoßstangen, Radkappen und Türgriffe.Die 50er-Jahre: Der Käfer läuft ins WirtschaftwunderAuch Anfang der 50er-Jahre gingen die Neuerungen am Käfer weiter. So bekam er 1950 die Fünfblatt-Drehstabfeder, und das Exportmodell wurde mit hydraulischen Bremsen ausgerüstet. Im Jahr 1951 bekam der Käfer ein verbessertes Heizsystem und das Exportmodell einen Türkontaktschalter für die Innenbeleuchtung, ferner bekamen alle Cabrios einen Deckel für das Handschuhfach. Die auffälligsten Neuerungen dem gegenüber waren aber das Wolfsburger Wappenzeichen am vorderen Haubengriff und die polierte Zierleiste rund um die Frontscheibe. 1952 bekam der Käfer — abgesehen vom ersten Gang — ein synchronisiertes Getriebe. Die Größe der Felgen verringerte sich von 16 auf 15 Zoll. Der Schalter für den Winker wurde von nun an unter dem Lenkrad platziert, in der vorderen Tür gab es erstmals das Dreiecksfenster und die Motorhaube bekam einen Knebelgriff. 1953 löste das ovale Rückfenster das »Brezelfenster« ab. Zum hinteren Gepäckabteil wurde zudem die Schallisolierung verbessert. Ferner befand sich von diesem Jahr an der Tacho direkt vor dem Fahrer und in die neun Rücklichter kam ein integriertes Bremslicht. 1954 bekam der Käfer-Motor erheblich mehr PS: seine Leistung steigerte sich von 25 auf 30 PS. Zudem bekam der Wagen ein einheitliches Schlüsselsystem für Türen und Zündschloss. 1955 wurde der Auspuff mit zwei Endrohren eingeführt, 1956 brachte Rückleuchten, die weiter nach oben verlegt waren. Die Änderungen des Jahres 1957 fiel vielen ins Auge: Ein vergrößertes Rückfenster löste das Ovalfenster ab und der Käfer bekam auch eine vergrößerte Windschutzscheibe. In diesem Jahr kamen dazu eine neue Pedalerie, eine verbreiterte Radspur und größere Radbremszylinder. 1958/59 erhielt der Käfer ein neues Sicherheitslenkrad, das Exportmodell einen Drehstab-Stabilisator und das Cabrio waagerechte Luftschlitze über der Heckklappe.Die 60er-Jahre: Viele NeuerungenDie 60er-Jahre begannen wiederum mit einer augenfälligen Neuerung: 1960 erhielt der Käfer einen Blinker (an Stelle des Winkers). 1961 wurde die Zweikammer-Heckleuchte eingeführt und Halterungen für die Sicherheitsgurte. Ab April 1962 gab es auch für das Standardmodell eine hydraulische Bremse. Ab 1963 wurde der Käfer mit einer nochmals verbesserten Heizung gebaut und das Exportmodell mit Stahlschiebedach. 1964 gab es einen Wechsel beim Grundmodell: der VW 100 Alpen löste das bisherige Modell Standard ab. Alle Modelle hatten von nun an größere Scheiben. 1965 erschien ein neues Exportmodell: der VW 1300 mit 40 PS bei 1285 ccm. Ab August 1966 war der Typ 1500 auf dem Markt mit einem 44-PS-Motor und 1493 ccm. Alle Cabrios wurden von nun an als 1500er gebaut. Statt der bisherigen liegenden erhielt der Käfer 1967 eine senkrechte Scheinwerferform. Dazu kamen neue massive Stoßstangen. Die Elektrik wurde von sechs auf zwölf Volt umgestellt und die Signalhorn-Rosetten in den vorderen Kotflügeln entfielen. Das Jahr 1968 brachte den 1300er in einer Automatik-Version und mit vorderen Scheibenbremsen. Zudem wurden alle Käfer mit einer von innen verriegelbaren Tankklappe ausgerüstet. 1969 kam der Typ 181 auf den Markt und der 1500er erhielt wie das Cabrio die waagerechten Lüftungsschlitze.Die 70er-Jahre: Ende der Produktion in DeutschlandDie 70er-Jahre begannen für Volkswagen mit der Vorstellung des Käfer 1302 im Jahr 1970. Er wurde mit 34-, 40- oder 44-PS-Motor geliefert. Er besaß einen verlängerten Vorderbau und einen 2 cm längeren Radstand. Zudem wurde 1970 erstmals eine Federbein-Vorderradaufhängung geliefert. Neuerungen des Jahres 1971 waren das Vierspeichen-Lenkrad und bei den Modellen 1200 und 1300 ein etwas größeres Heckfenster. Im Jahr 1972 wurde aus dem 1302 der 1303, dessen deutlichste Neuerungen die gewölbte Windschutzscheibe und die neuen Schlussleuchten (»Elefantenfuß«) waren. Dazu kam der im Armaturenbrett »versenkte« Tacho. Im Programm blieben der 1300/S und der 1200er »Sparkäfer«. Auch vom 1303 gab es — ab 1973 — ein Sparmodell, nämlich den 1303 Alpen, ausgerüstet mit einem 34-PS-Motor. Dieser 1303 A wurde aber schon 1974 wieder aus dem Programm genommen, die Modelle 1200 und 1303 blieben auf dem Markt. Im selben Jahr wurden die vorderen Blinkleuchten vom Kotflügel in die Stoßstange versetzt. 1974 wurde dann auch der Nachfolger des Käfers vorgestellt: der Golf. Neuer Sparkäfer wurde im Jahr 1975 das Modell 1200, weiterhin mit einem 34-PS-Motor. 1976 gab es limitierte Modellreihen mit Sonderausstattungen. In diesem Jahr wurde bereits der 1 000 000. Wagen des Käfernachfolgers Golf produziert. 1977 wurden die in Emden gebauten Modelle 1200 und 1200 L angeboten. In diesem Jahr erhielt der 1303 Cabrio als Standardausstattung eine heizbare Heckscheibe. Im Jahr 1978 ging dann eine Ära zu Ende: In Emden wurde der letzte deutsche Käfer produziert. Von nun an wurde der Käfer nur noch im Volkswagen-Werk in Mexiko hergestellt. Eine Ausnahme machte das 1303 Cabrio, das sich weiterhin großer Beliebtheit erfreute (1979 wurden allein 19 569 Cabrios gebaut): Es wurde noch bis Anfang 1980 in Deutschland weitergebaut, und zwar bei Karmann in Osnabrück.Seit 1980: Viele Sondermodelle1980 gelangten dann 13 052 VW 1200 aus Mexiko nach Europa. Einen Rekord gab es dann am 15. Mai 1981 zu vermelden: In Mexiko wurde an diesem Tag der 20 000 000. Käfer fertig gestellt. In Deutschland kam in diesem Jahr das Sondermodell »Silver Bug« auf den Markt, gefolgt im Jahr 1982 von den Sondermodellen »Jeans Bug« und »Special Bug«. Der Preis für den Mexiko-Käfer betrug in diesem Jahr 9 995,- DM. Auch 1983 gab es drei Sondermodelle: den »Aubergine-Käfer«, den »Eisblau-Metallic-Käfer« und den »Alpinweiß-Käfer«. 1984 folgten die Sondermodelle »Sunny-Bug« und »Samtroter Käfer«; der Käfer kostete erstmals mehr als 10 000,- DM. Zum 50. Geburtstag des Autos im Jahr 1985 erschien dann das Sondermodell »Jubiläumskäfer« mit zinngrauer Metalliclackierung und grüner Wärmeschutzverglasung. Am 12. 08. 1986 endete der offizielle Import von Käfern in die Bundesrepublik Deutschland, denn an diesem Tag kamen die letzten 3 000 Mexiko-Käfer in Emden an.Auch heute sind noch »alte« Käfer im Straßenbild zu sehen (1992 lief in Mexiko der 21 000 000. Wagen vom Band), in den 90er-Jahren gab es zudem eine »Wiederauferstehung«: 1996 erregte auf dem Genfer Automobilsalon die Weiterentwicklung der Studie »Concept 1«, der »New Beetle«, Aufsehen. Er hatte Allradantrieb und einen TDI-Motor, einen Dieseleinspritzer. So fährt der »Enkel« des »KdF-Wagens« auch im neuen Jahrtausend.Hans-Rüdiger Etzold: Der Käfer. Eine Dokumentation. 4 Bände. Stuttgart 1992-95.Ulrich Kubisch und Daniel Roeseler: VW-Käfer & New Beetle. Von der Autolegende zum Designobjekt. Mannheim 1999.Ulrich von Pidoll: Vom Käfer zum New Beetle. Ein Auto schreibt Geschichte. Sonderausgabe Hamburg 1999.
Universal-Lexikon. 2012.